QM. Kitesurfer erbringen Höchstleistungen. Ein wissenschaftliches Projekt will mit Hilfe biometrischer Daten entscheidende Leistungsfaktoren auf dem Kiteboard finden. Das Nationale Leistungszentrum (NLZ), Swiss Olympic, die Uni Lausanne (UNIL) und die ETH Lausanne (EPFL) haben für ein entsprechendes Projekt zusammengespannt. In Zukunft sollen alle Schweizer Olympiaseglerinnen und -segler davon profitieren können.
2021 arbeitete Louis Finiel unter der Leitung von Professor Fabio Borrani der Universität Lausanne an seiner Doktorarbeit in Biomechanik. Er interessierte sich unter anderem für das Zusammenspiel zwischen sportlicher Leistung und Material. Er wollte am Beispiel eines Kiteboards darlegen, wie sich die beiden Komponenten gegenseitig beeinflussen. Marco Versari, der Leiter des Nationalen Leistungszentrums in Lausanne, erfuhr von der Studie. «Das NLZ ist integriert in die Services Sport et Santé UNIL+EPFL. Zusammen bilden sie ein einzigartiges Konstrukt, das uns den Kontakt mit den Forschenden ermöglicht», erklärt er. Interessiert an den Anwendungsmöglichkeiten der Forschungserkenntnisse reiste Marco Versari im Sommer zur Verteidigung der Doktorarbeit nach Lausanne. «Louis Finiel und sein Professor hatten ein Kiteboard entwickelt, das mit Kraftsensoren ausgestattet ist. Sie geben Aufschluss darüber, wie sich der auf das Board ausgeübte Druck auf das Foilen auswirkt. Wir wollten diesen Prototyp bei unseren Athletinnen und Athleten einsetzen. Dazu mussten wir allerdings erst neue Forschungsfragen formulieren, damit uns die Erkenntnisse auch wirklich nützen konnten», so Versari weiter.
Zusammenarbeit und Weiterentwicklung
Nach einer ersten erfolgreichen Datenerhebung kam das Projekt mehrere Monate zum Stillstand. Doch mit der Erarbeitung eines zielführenden wissenschaftlichen Ansatzes erhielt das Swiss Sailing Team Anfang 2024 den Prototyp von der UNIL. Die Daten können nach verschiedenen Variablen ausgewertet werden: Wind, Winkel, Geschwindigkeit, physische Eigenschaften der Athletinnen und Athleten und mechanische Eigenschaften des Materials. Marco Versari geht davon aus, dass es mit einer genügend grossen Datenmenge möglich sein sollte, anhand von Algorithmen optimale Vorgaben fürs Foilen festzulegen. Falls das Vorhaben gelingt, könnte es den Athleten des Swiss Sailing Teams erhebliche Vorteile bringen. Versari spricht sogar von einer «kleinen Revolution». Die mit Sensoren ausgestatteten Boards sollen Informationen darüber liefern, welche Konfigurationen für die Rider am vielversprechendsten sind. «Nach der Konsolidierung unseres wissenschaftlichen Ansatzes haben wir den Prototyp erstmal Gian Andrea Stragiotti für Testläufe zur Verfügung gestellt. Die Ergebnisse waren aufschlussreich.» Das Forschungsprojekt erfülle seinen Zweck, bestätigt der Projektleiter, es habe sich aber gezeigt, dass moderne Kiteboards seit der Doktorarbeit von Louis Fliniel umfassend weiterentwickelt wurden.
Ansteckende Begeisterung
Bestärkt durch die positiven Ergebnisse machte sich Marco Versari auf die Suche nach zusätzlicher Unterstützung für den Bau eines ausgereifteren Boards. Es gelang ihm, Mitarbeitende und Studierende der EPFL sowie die Abteilung Sport Science von Swiss Olympic für die Sache zu gewinnen. «Dank der guten Zusammenarbeit von NLZ und EPFL konnten wir ein Team aus fünf Studierenden zusammenstellen, die alle bereits an namhaften Projekten wie dem Swiss Solar Boat oder dem SP80 gearbeitet haben.»
Innerhalb weniger Monate wurde aus dem virtuellen Projekt Wirklichkeit. Swiss Olympic leistete einen wichtigen finanziellen Beitrag und die angehenden Ingenieure entwickelten zwischen November 2024 und März 2025 ein smartes Board, das sie in Produktion schickten. Marco Versari freut sich über die raschen Fortschritte: «In weniger als sechs Monaten haben wir nicht zuletzt dank der Mithilfe der am Pilotprojekt beteiligten Werkstatt Tarifa Foil Boards einen sehr ausgereiften Prototyp gebaut, dessen Eigenschaften den im Wettkampf verwendeten Boards extrem nahekommt.» Seither hat U21-Weltmeister Gian Andrea Stragiotti darauf viele wertvolle Daten gesammelt. Bald schon können unzählige Konfigurationen bis ins Detail analysiert werden. Krängung, Druck auf das Board, Fussstellung, Zugkraft der Kitebar und vieles mehr werden Aufschluss geben, wie sich das Verhalten der Rider in der Formula-Kite-Klasse auf die Leistung auswirkt.
Olivier Campiche (Mitarbeiter UNIL – Laborwissenschaftler), Guilhem Destriau (EPFL-Student), Valentin Belardi (EPFL-Student), Felix Schmeding (EPFL-Student)
Das Schweizer Kite-Team: Karl Mäder, Elena Lengwiler, Gian Andrea Stragiotti und Matthieu Girolet (Coach)
Romain Corbel (EPFL-Student), Guilhem Destriau (EPFL-Student), Olivier Campiche (Mitarbeiter UNIL – Laborwissenschaftler)
Gian Andrea Stragiotti mit dem Board der UNIL/EPFL