Das Swiss Sailing Team kehrt nach zehn intensiven Wettfahrttagen mit zwei Olympiastartplätzen von der WM in Aarhus (Dänemark) nach Hause zurück. Sébastien Schneiter und Lucien Cujean qualifizierten die Schweiz im 49er, Maud Jayet sicherte das Nationenticket im Laser Radial. Tom Reulein ist Chef Leistungssport bei Swiss Sailing und Teamchef des Swiss Sailing Team. Im nachfolgenden Interview erzählt er uns, was ihn gefreut hat und was weniger, und wie es nun weitergeht mit der Olympiavorbereitung.

Swiss Sailing: Tom, wie lautet Dein Fazit zur WM in Aarhus?

Die WM in Aarhus war von Seiten der dänischen Organisatoren sehr gut geplant und umgesetzt. Natürlich gibt es bei einer solchen Grossveranstaltung mit über 200 einzelnen Wettfahrten mit 1’400 Teilnehmern und acht Wettfahrtleitungen sowohl auf dem Wasser wie auch in der Jury streitbare Entscheidungen. Aber damit muss man umgehen können. Die Qualifikation fürs Medal Race und der Gewinn der beiden Nationenquoten im 49er und Laser Radial tut uns gut. Gleichzeitig aber sind wir vorgewarnt: Weil das Leistungslevel in den Fleets jetzt schon so hoch ist, kostet jeder noch so kleine Fehler sofort mehrere Boote auf dem Wasser. Das haben wir in Aarhus doppelt schmerzhaft erfahren, als wir die sicher geglaubte Nationen Quote bei den 470er Damen und den 470er Herren in den abendlichen Protestverhandlungen wieder verloren haben.

Davon abgesehen: Was hat deiner Ansicht nach besonders gut geklappt?

Es geht bei solchen Grossevents immer darum, dass man sein eigentliches Leistungspotenzial voll ausschöpfen kann. Das bedeutet all die Fähigkeiten, die man sich über die letzten Monate hart erarbeitet hat, in der Wettfahrt einzusetzen und entsprechende Resultate zu ersegeln – eben eine persönliche Bestleistung zu bringen, wenn es am meisten darauf ankommt. Das ist vor allem den 470er Jungs Kilian Wagen und Grégoire Siegwart gelungen. Mit ihrem Wettfahrtsieg waren sie nahe an der Qualifikation für das Medal Race. Oder auch Maud Jayet im Radial, die mit ausschliesslich einstelligen Platzierungen die beste Finalserie ihres Lebens gezeigt hat. Und wenn man wie unsere 49er Sébastien Schneiter und Lucien Cujean im Finale an zwei Tagen hintereinander Platz 4 im Klassement belegt, dann darf man auch mal von einer WM-Medaille träumen.

Unter dem Strich stehen drei persönliche Bestleistungen sowie je zwei Nationen-Quoten und Medal Race-Qualifikationen zu Buche. Hinzu kommt ein sehr gut funktionierendes Support-Team mit effizienten Tagesabläufen und vollem Einsatz – angefangen von den Coaches über den Physio, den Meteorologen, den Rules Advisor und weitere wichtige Teammitglieder (Data Analyse, Team Support, Medien). Ohne ein solch professionelles Support-Team geht es in keinem Nationalteam mehr.

Was waren die grössten Schwierigkeiten, mit welchen die CH SeglerInnen in Aarhus zu kämpfen hatten?

Der Wettkampf zieht sich extrem lang hin, teilweise 8-10 Tage inklusive Reservetage. Es erfordert schon viel Erfahrung, damit man seine Wettkampfspannung über eine so lange Zeit halten kann. Dafür muss man frisch im Kopf bleiben und sehr auf seinen Energiehaushalt achten. Das kriegt der eine oder andere nach den Erfahrungen in Aarhus in Zukunft sicher noch besser hin. Grundsätzlich haben die ablandigen Windbedingungen für die meisten unserer Segler gepasst. Mateo Sanz Lanz hatte etwas Regattapech, weil er sechs Wettfahrten bei Starkwind absolvieren musste und wie erwartet aufgrund seiner Körpergrösse weniger konkurrenzfähig war. Die enttäuschenden Leistungen im Medal Race (zweimal Platz 10) werden wir uns nochmal genauer anschauen. Ein Grund mag darin liegen, dass der „Stadium Kurs“ mit der grossen Zuschauertribüne sehr nah unter Land und deswegen fast nicht kalkulierbar war.

Woran gilt es nun primär zu Arbeiten bis zur nächsten Qualifikationsmöglichkeit?

Nach der WM-Analyse folgt der grosse Konditionstest in unsere Partnerklinik La Tour in Genf. Unmittelbar danach geht es weiter zum Weltcup im Olympiarevier Enoshima/Japan. Nach einem umfassenden Review aller Projekte und einer kurzen Pause starten wir im November ins Wintertraining. Hochgradige Individualisierung ist im Spitzensport die absolute Maxime; entsprechend fallen die Ziele, an denen während dem Winter gearbeitet werden, erfahrungsgemäss sehr unterschiedlich aus. Aber es wird an allen Faktoren der langfristigen Leistungsentwicklung gearbeitet werden, also sowohl im konditionellen, taktisch-strategischen, mentalen Bereich wie auch im segeltechnischen, am Material und an der Kommunikation. Segeln ist ein komplexer Sport, aber genau das macht es ja so spannend. Die nächsten Nationen-Quoten werden an den Weltmeisterschaften der einzelnen Bootsklassen im kommenden Jahr verteilt, und da werden wir dann sicher ein gehöriges Wörtchen mitreden.

Text : Diana Fäh / Swiss Sailing – https://www.swiss-sailing.ch/aktuell/news/detail/article/-4f85bcc6a8/