Hintergründe und Informationen Mai 2023


Teammeeting in Palma

Vor der Trofeo Princesa Sofía 2023, der ersten grossen, internationalen Regatta des Jahres, traf sich das Swiss Sailing Team zu einem Teammeeting in Palma (ESP). Treffpunkt war der Club Nautico El Arenal und auf dem Programm standen Teambuilding, gegenseitiges Kennenlernen, Meteo, Regelkenntnisse sowie verschiedene wichtige Informationen zur laufenden Saison. Mit den neuen SST-Musto-Kleidern von Bekleidungspartner Peter Frisch GmbH waren zudem verschiedene Photoshootings an Land und auf dem Wasser organisiert – das Resultat ist in Form von neuen Porträts auch auf der Webseite zu sehen.

Zum ersten Mal mit dabei waren Jo Clarke und Lori Schüpbach vom SST Media Team sowie der erfahrene International Judge und Umpire Miguel Allen als neuer Rules Advisor der SST. Unter dem Namen «Fast and Furious Game» wartete eine ganz besondere Aufgabe auf die Seglerinnen und Segler. «Wir wollten das Team aus der Komfortzone locken», erklärte Mentalcoach Maayke Van der Pluijm. «Beim Spitzensport ganz allgemein und beim Segeln im Speziellen geht es immer wieder darum, die Komfortzone zu verlassen. Wir wollten das in einem ganz anderen Kontext erlebbar machen.» In Zweierteams galt es, ganz unterschiedliche und unerwartete Aufgaben zu lösen. Zum Beispiel: Mit so vielen Leuten wie möglich auf einem Selfie posieren. Und: Ein Bild von beiden, zusammen mit einer britischen, einer französischen und einer deutschen Person fotografieren. Oder: Für beide ein kostenloses Getränk an einer Bar organisieren – ohne zu bezahlen, aber auch ohne zu stehlen…

SST-CEO Christian Scherrer war nach dem Meeting erfreut über den Spirit und den Fokus im Team. «Es war das erste Treffen nach unserem SST-Meeting in Lausanne im letzten November. Darum war es besonders wichtig, dass wir uns zum Saison-Auftakt als Team nochmals Zeit nehmen und wichtige Themen besprechen konnten. Der Austausch war sehr konstruktiv und die Kommunikation gut. So wachsen wir als Team zusammen.»


Gemischte Bilanz nach den ersten Regatten der Saison

© Sailing Energy / Semaine Olympique Française

Weder bei der Trofeo Princesa Sofía noch bei der Semaine Olympique Française in Hyères (FRA) lief für das Swiss Sailing Team alles nach Wunsch. Beide Regatten waren sehr gut besetzt – langsam aber sicher ist spürbar, dass die entscheidende Phase der Vorbereitung für die Olympischen Spiele 2024 läuft. Aus Schweizer Sicht konnte einzig ILCA-6-Seglerin Maud Jayet in beiden Regatten jeweils mit einem Top-Ten-Resultat überzeugen. «Ich hatte einige Ups und Downs. Die Qualifikation lief hervorragend, in den Goldfleet-Races war es dann schwieriger. Aber ich schaffte es sowohl in Palma als auch hier ins Medalrace, was grundsätzlich immer gut ist. Jetzt werden wir in Marseille bei hoffentlich unterschiedlichen Bedingungen trainieren und uns auf die Worlds vorbereiten», fasste die Westschweizerin ihre Eindrücke nach dem Medalrace von Hyères zusammen. Für Anja von Allmen, die zusammen mit Maud Jayet in der ILCA-6-Squad trainiert, geht es aktuell vor allem darum, Erfahrungen auf höchstem Niveau zu sammeln.

Unter den Erwartungen blieben die beiden 470-Mixed-Teams Yves Mermod und Maja Siegenthaler sowie Linda Fahrni und Cyril Schüpbach. Beide zeigten immer wieder sehr gute Ansätze und bewiesen in einzelnen Läufen, dass sie ganz vorne mithalten können. Bei Mermod/Siegenthaler lag in Palma das Medalrace bis vor dem letzten Tag in Reichweite. Was noch fehlt, ist die Konstanz. Dieser Eindruck bestätigte sich später auch bei der EM in Sanremo. Trotz einzelner guter Resultate verpassten beide Teams eine Spitzenklassierung deutlich. Yves Mermod und Maja Siegenthaler belegten schliesslich den 17. Schlussrang (11. Nation), Linda Fahrni und Cyril Schüpbach mussten sich gar mit dem 32. Schlussrang begnügen.

Eine aufsteigende Leistungskurve zeigte das 49er-Team Sébastien Schneiter und Arno de Planta. Während in Palma die Abstimmung noch nicht klappte und das ambitionierte Team sogar die Qualifikation für die Goldfleet verpasste, gelang in Hyères eine deutliche Steigerung. Mit einem Laufsieg zum Auftakt der Goldfleet-Serie konnten die beiden Westschweizer ihr Potenzial definitiv aufzeigen. Bei einer gut besetzten Coach-Regatta in Marseille, die im Rahmen eines Trainingsblocks im Olympiarevier Mitte Mai stattfand, segelten Schneiter/de Planta als Gesamtdritte sogar aufs Podest. «Es klappt immer besser und wir sind auf einem guten Weg – feeling more and more at home», berichtete Arno de Planta nach dem Erfolg.

Für Ausrufezeichen sorgten auch noch andere. «Ich bin sehr zufrieden mit Hyères», resümierte Bruce Kessler nach der Semaine Olympique Française. «Ich hatte vorgängig schon eine ideale Trainingswoche und fühlte mich darum gut vorbereitet. Der Auftakt mit einem 5. Laufrang gab mir weiteres Selbstvertrauen. Die Erfahrungen mit der erstmaligen Qualifikation für die Goldfleet sind für mich im wahrsten Sinne des Wortes Gold wert.» Der 24. Schlussrang (bei 92 Teilnehmern) bedeutet gleichzeitig das beste Resultat der noch jungen Kite-Karriere des 23-jährigen Bündners. Für ein weiteres erfreuliches Resultat aus Schweizer Sicht sorgte das Nacra-17-SST-Nachwuchsteam Andrea Aschieri / Anja Camusso. Mit der Qualifikation für die Goldfleet und dem 15. Schlussrang bewegten sie sich mitten in der Weltspitze. Solche Leistungen machen natürlich Lust auf mehr…

Als Standortbestimmung nutzten die SST-Athleten Elia Colombo, Matteo Benz sowie Sebastian Schärer (iQFoil) die Trofeo Princesa Sofía. In dieser neuen Olympia-Klasse ist das Niveau noch nicht sehr konstant und die Leistungen sind schwierig einzuordnen. Alle drei qualifizierten sich sowohl in Palma als auch Anfang Mai bei der EM in Patras (GRE) für die Goldfleet und zeigten gute Leistungen. Elia Colombo klassierte sich bei der gut besetzten EM auf dem 21. Rang – als 11. Nation hätte er damit bei der WM in Den Haag im August einen Olympia-Quotenplatz für die Schweiz erobert.


Im Fokus: SST-Youth-Teams auf dem Nacra 17

© Roberto Marci

Bei den Olympischen Spielen von Rio 2016 feierte der Nacra 17 als Mixed-Klasse seine Premiere. Und das Team Matías Bühler / Nathalie Brugger sicherte der Schweiz ein Olympisches Diplom. Nach diesem Exploit war es allerdings wieder ruhig – für 2020 (respektive 2021) gab es keine Schweizer Olympiakampagne. Nun kommt jedoch frischer Wind in die Nacra-Szene. Anfang Jahr wurden Axel Grandjean und Noémie Fehlmann als Junior Sailor of the Year ausgezeichnet – mit gutem Grund: Das Duo gewann im November 2021 sensationell den WM-Titel auf dem Nacra 15 – bei 72 Teams aus 12 Nationen. Die Bestätigung folgte knapp ein halbes Jahr später: Gold auch bei der EM in Carnac (FRA) und Sieg bei den World Sailing Youth Championships in Den Haag (NED). Inzwischen ist das SST-Nachwuchsteam auf den Nacra 17 umgestiegen und träumt von den Olympischen Spielen 2028.

Auch das Nachwuchsteam Aschieri/Camusso steht in der Nacra-17-Klasse noch ganz am Anfang des langen, intensiven Weges zur möglichen Qualifikation für die Olympischen Spiele 2028. Andrea Aschieri und Anja Camusso stiegen im letzten Herbst vom kleineren Nacra 15 auf die olympische Klasse Nacra 17 um. Schon bei ihrer dritten Regatta bei den «Grossen», der Semaine Olympique Française in Hyères, zeigten sie mit der Qualifikation für die Goldfleet und dem 15. Schlussrang eine tolle Leistung.

Matías Bühler lobt die beiden Nachwuchsteams, weiss aber auch, dass es noch ein langer Weg ist: «Es braucht viele Puzzleteile, die passen müssen, um eine erfolgreiche Olympia-Kampagne zu bestreiten. Einer der wichtigsten Punkte ist dabei das Mindset: Der Fokus muss unbedingt auf dem Segeln liegen. Das bringt auch eine Menge Verzicht mit sich, was beispielsweise das Sozialleben mit Familie und Freunden betrifft. Man muss sich wohlfühlen in der Work-Life-Dysbalance», sagt der Profisegler, der aktuell bei Alinghi Red Bull Racing mit dabei ist. Er habe schon viele junge Talente gesehen, die aufgegeben hätten, weil der Weg für sie zu beschwerlich gewesen sei. «Es ist wichtig zu geniessen, was man macht. Auch wenn das nicht immer einfach ist.»

Laut Matías Bühler braucht es neben dem Willen zum Verzicht auch Team-Zusammenhalt, Talent und (finanzielle) Ressourcen für eine gelungene Olympia-Kampagne. Einen wichtigen Support haben die beiden Nachwuchsteams allerdings bereits: das Swiss Sailing Team. «Es ist ein grosses Glück, als Seglerin beziehungsweise Segler professionelle Unterstützung des Verbandes zu erhalten. Hier in der Schweiz ist dies gegeben und die Nachwuchsteams werden nicht alleine gelassen», so Bühler. Das sei nicht selbstverständlich. Und aus seinem langjährigen Know-how ergänzt Bühler: «Auch wenn es manchmal schwierig ist, der Fokus muss auf dem Segeln sein. Im Winter zum Beispiel, wenn es kalt ist, du morgens aufs Meer musst und dabei Wind und Wetter ausgesetzt bist. Danach wartet das Krafttraining und schliesslich folgen noch Gespräche mit potenziellen Sponsoren. In einer Olympia-Kampagne bist du 24/7 Athlet oder Athletin. Das sollte man nie vergessen.»

Über die Konkurrenz-Situation der beiden Teams macht sich Andrea Aschieri noch keine Gedanken: «Wir trainieren zusammen, machen uns gegenseitig besser. Im Moment liegt unser Fokus nicht auf der internen Konkurrenz. Wir wollen uns einfach immer weiterentwickeln – beide Teams. Mit der Konkurrenz-Situation beschäftigen wir uns dann, wenn es soweit ist.»


Zwei Höhepunkte der Saison 2023

© Sailing Energy

Zwei Regatten stehen im kommenden Sommer ganz besonders im Fokus: Der Testevent in Marseille (7. bis 16. Juli) und die Weltmeisterschaften der olympischen Klassen vom 10. bis 20. August in Scheveningen (Den Haag, NED). Beim Testevent geht es in erster Linie darum, ein Jahr vor den Olympischen Spielen unter Wettkampfbedingungen weitere Erfahrungen im Olympiarevier zu sammeln. Das Swiss Sailing Team unterhält seit mehr als einem Jahr eine fixe Trainingsbasis in Marseille und sammelt gemeinsam mit anderen Nationen eine Vielzahl an Wetterdaten. «Wir konnten mittlerweile zwei oder drei konkrete Wettermodelle als typisch für die Region herausarbeiten und gezielt analysieren», berichtet Marco Versari, Data und Technology Manager des SST. Die Delegation für den Testevent wird Ende Mai definitiv bestimmt.

An den Weltmeisterschaften von World Sailing in Den Haag werden als Höhepunkt des Jahres die ersten Quotenplätze für die Olympischen Spiele vergeben! Je nach Klasse sind es zwischen 40 und 50 Prozent aller Startplätze für Paris 2024. Konkret heisst das beispielsweise für die 470-Mixed-Klasse, dass 8 von 18 Startplätzen bei den WM vergeben werden. Weitere Quotenplätze gibt es später noch an der EM oder der WM der entsprechenden Klasse sowie im April 2024 an der so genannten «Last Chance Regatta» in Hyères. «Unser Ziel muss ganz sicher sein, schon in Den Haag drei oder vier Schweizer Quotenplätze zu holen», sagt SST-CEO Christian Scherrer. «Je später ein Quotenplatz noch erobert werden muss, desto grösser wird der Druck und desto schwieriger dann die gezielte Vorbereitung auf die Spiele.» Nach dem Quotenplatz braucht es noch die Erfüllung der persönlichen Qualifikation für die einzelnen Seglerinnen und Segler, respektive Teams. «Wir haben gemeinsam mit Swiss Olympic in einem guten Prozess ein ausgeglichenes Selektionsreglement ausgearbeitet. Es geht nicht darum, unseren Athletinnen und Athleten Steine in den Weg zu legen, sondern im Gegenteil, eine optimale Vorbereitung zu ermöglichen.» Je nach Resultaten werden dann die einzelnen Seglerinnen und Segler oder Teams möglichst zeitnah für Paris 2024 selektioniert, so dass genügend Zeit für eine gute Vorbereitung auf die Regatten in Marseille bleibt. Im Sommer 2024 soll dann das grosse Ziel, nach 1968 (Silber für Louis Noverraz, Marcel Stern und Bernhard Dunand auf dem 5.5) endlich wieder eine Schweizer Segelmedaille bejubeln zu können, im Fokus stehen.


Behind the scenes: Anne-Sophie Thilo

Anne-Sophie Thilo ist neu im Verwaltungsrat der Swiss Sailing Team AG. Sie übernimmt die Position von Alberto Casco als Vertreterin des Zentralvorstands von Swiss Sailing und dem Fachbereich Leistungssport. Alberto Casco bleibt weiterhin im VR, zusammen mit Enrico de Maria und dem Präsidenten Alex Schneiter.
Anne-Sophie Thilo wurde zusammen mit Emmanuelle Rol Junioren-Weltmeisterin auf dem 420 und Vize-Europameisterin auf dem 470. Gemeinsam segelten die beiden Westschweizerinnen zudem 2008 bei den Olympischen Spielen in Qingdao. Thilo ist studierte Kommunikationswissenschafterin und ist Mitglied des Club Nautique de Pully. Wir haben mit ihr gesprochen.

Anne-Sophie, warum dein Engagement für Swiss Sailing und für das Swiss Sailing Team?
Meine Karriere als Seglerin hat viel zu meiner persönlichen Entwicklung und zu meinem beruflichen Werdegang beigetragen. Ich bin überzeugt, dass der Sport ein wunderbares Instrument für das körperliche, geistige und soziale Wohlbefinden aller Menschen ist. Ich habe im Laufe meiner Karriere viel gelernt und hatte auch das Glück, von vielen Seglerinnen und Seglern, die älter und erfahrener waren als ich, zu lernen. Heute ist es mir ein grosses Anliegen, meinem Sport sowie der nächsten Generation etwas zurückzugeben, und mich so für die Entwicklung unseres wunderbaren Sports einzusetzen. Und natürlich freut es mich besonders, als ehemalige Spitzenseglerin, durch das Swiss Sailing Team ein Bindeglied zwischen dem Dachverband Swiss Sailing und der Elite zu sein.

Was kannst und willst du beitragen?
Ich hatte das Glück, jahrelang auf hohem Niveau segeln zu dürfen und auch eine Teilnahme an den Olympischen Spielen zu erleben. Ich ging den «klassischen Weg» einer jungen Seglerin, die sich im bestehenden System mit all seinen Vor- und Nachteilen bewegte. Darüber hinaus habe ich in den letzten Jahren Erfahrungen gesammelt, indem ich in verschiedenen Komitees oder Stiftungsräten sass. Ausserdem bin ich seit fünf Jahren im Vorstand meines Clubs aktiv. Ich hoffe, dass ich so eine doppelte Perspektive einbringen kann: einerseits die Perspektive der ehemaligen Athletin mit all den Dingen, die verbessert werden können, und andererseits die Perspektive der Managerin und Unternehmerin, um Projekte voranzutreiben und gleichzeitig eine gute Führung zu gewährleisten.

Was machst du derzeit in ihrem Berufsleben?
Nachdem ich zuerst für Stéphane Lambiel und das IOC gearbeitet hatte, konnte ich mein eigenes Unternehmen gründen, das im Bereich der Kommunikation im Sport tätig ist – sowohl auf regionaler als auch auf internationaler Ebene. Ich arbeite in der Kommunikationsstrategie, Medienarbeit, Karriereberatung sowie als Pressesprecherin und im Sponsoring. Hauptsächlich mit und für Athletinnen und Athleten.

Was bedeutet der Segelsport heute für dich…?
Was unseren Sport so schön macht, ist, dass er umfassend und komplex ist. Leider ist das auch ein bisschen die Kehrseite der Medaille: schwer zu verstehen, kompliziert von aussen zu betrachten, wenig medienwirksam… Aber mit den technologischen Entwicklungen gibt es immer wieder neue Möglichkeiten. Es liegt an uns, diese zu nutzen…